Stretching, Mobility oder in diesem Fall einfach nur dehnen – ein Thema, das in den letzten Jahren immer stärker ausgeschlachtet wird. Es gibt immer mehr Produkte oder Wunderübungen, die dafür sorgen sollen, dass ihr noch beweglicher werdet und Verletzungen vorbeugt.
Jedoch machen immer noch viele Leute Fehler, die am Ende nichts oder sogar noch das Gegenteil bewirken.
Bei einigen im Sportstudio könnte man denken, sie machen ihre Dehnübungen nur, weil andere es machen, als sei es eine Art Tradition. Allerdings sollte uns bewusst sein, was wir dehnen und was wir damit erreichen wollen. Bereiten wir uns gerade auf ein Training vor oder ist es eine einzelne Stretching-Einheit. Führen wir es nach dem Training aus, also Cool-Down, oder ist unser Ziel einfach irgendwann beide Füße hinter den Kopf zu bekommen.
Solltet ihr euch auf ein Krafttraining oder eine andere Art von Training vorbereiten wollen, solltet ihr beim dynamischen Dehnen oder dynamischen Stretching bleiben. Beispielsweise abwechselnde Ausfallschritte (Reverse Lunges) oder Kniebeugen, eventuell noch eine abgewandelte Form, wie Frog-Squats, bei denen man bewusst etwas zu tief geht und sich dann explosiv, nach oben und nach vorne raus drückt. Zum Thema dynamisches Aufwärmen gibt es einen seperaten Beitrag.
Wem es nur darum geht, felixbler und beweglicher zu werden, sollte auf statisches Dehnen setzen, sofern die Beweglichkeit durch Sehnen, Bänder oder Gelenke beeinträchtigt ist. Es geht also darum, die Dehnung einer bestimmten Muskulatur über eine gewisse Dauer aufrecht zu erhalten, aber wie lange soll man nun genau dehnen?
Bei diesen Angaben gehen die Meinungen leider recht weit auseinander. Dr. Matt Stevens, ein sehr bekannter Physiotherapeut und Besitzer von Pure Physio, empfiehlt beispielsweise, Intervalle von ein bis zwei Minuten, oder 20-30 Sekunden. Manche Physiotherapeuten und Ärzte sprechen von 5-20 Sekunden, andere wiederrum von zwei bis vier Minuten, dass sind dann aber eher die Extrema.
Wir haben für euch mal einen roten Faden zur Verwendung von statischem Stretching erstellt:
Vermeidet längere Dehnungsintervalle vor intensiven Trainingseinheiten oder Spielen!
Die neuesten Forschungen auf diesem Gebiet haben ergeben, dass das Dehnen von mehr als 20 Sekunden die Kraft beeinträchtigen kann. Außerdem sollen wohl auch die Gelenke, über die gedehnt wurde, destabilisiert werden. Dadurch kann die Leistung nachlassen kann und die Verletzungsgefahr wird stark erhöht. Wenn also vor einem Spiel gedehnt werden soll, dann nur kurz und nicht mit verringerter Intensität.
Zu vermeiden ist ebenfalls das sogenannte PNF-Stretching, es gilt als eine der effektivsten Methoden zur Verbesserung der Gelenkmobilität. Diese Methode ist aber sehr intensiv und durch den passiven Anteil nur mit einem erfahrenen Partner umzusetzen.
Es ist also sinnvoller, sich darauf zu fokussieren, was einen direkten Einfluss auf euer Training hat, ohne eure Leistung zu mindern. Plant ihr beispielsweise Kniebeugen zu machen, solltet ihr sicher stellen, dass euer Fußgelenk ausreichend mobilisiert ist, um sauber beugen zu können. Es bietet aber keinen Mehrwert, minutenlang eure Oberschenkelmuskulatur zu dehnen, wenn euch grundsätzlich die nötige Mobilität fehlt.
Vermeidet intensive Dehnungseinheiten 24 Stunden vor einem wichtigen Spiel
In neuesten Tests konnte gezeigt werden, dass sich eine 15 minütige, intensive Dehnungseinheit, 24 Stunden vor der eigentlichen Belastung negativ auf die Leistung auswirkt. Verglichen wurden diese Ergebnisse mit den Leistungsgruppen, die 24 Stunden vorher überhaupt nichts gemacht haben. Der Unterschied ist bei den meisten Hobby- oder semiprofessionellen Sportlern jedoch verschwindend gering. Empfohlen wird also, vor einem wichtigen Spiel oder einem Wettkampf, einfach mal die Füße hoch zu legen. Solltet ihr euch aber unbedingt dehnen wollen, so wird das keine zu großen Probleme verursachen.
Stretching kann unangenehm sein, sollte aber nicht schmerzhaft sein
Da für viele das Stretching ein relativ neues Thema ist, oder sie sich das erste mal so intensiv damit beschäftigen, kommt es auch oft zu Missverständnissen. Ein Irrtum, den man leider zu oft sieht und hört, viel hilft viel. Das mag bei vielen Dingen im Leben helfen, hier allerdings nicht. Wie auch beim Muskelaufbau wollt ihr hier eine langfristige Veränderung hervorrufen und diese Veränderung braucht Zeit. Ihr könnt von heute auf morgen keine bessere Mobilität beispielsweise im Schultergelenk erwarten. Genau so solltet ihr auch euer Stretching planen und nicht immer weiter in die Dehnung gehen, eventuell sogar bis es wehtut. Denn genau dann wisst ihr, jetzt macht ihr etwas falsch oder einfach zuviel. Es gibt bestimmte Positionen oder Abläufe, die durchaus unangenehm sein können, jedoch sollten sie niemals Schmerzen verursachen. Sollte es doch mal dazu kommen, sollte das Streching unterbrochen oder sogar abgebrochen werden, insofern die Schmerzen weiter anhalten. Kann das Stretching fortgehführt werden oder wird eine ähnliche Dehnung zukünftig wieder durchgeführt, so muss die Intensität auch hier an das aktuelle Level angepasst werden.
Auch beim Dehnen sollte geatmet werden
Während die statische Position gehalten wird, sollte man versuchen tief und ruhig zu atmen. Wenn man ausatmet, sollte versucht werden, noch etwas weiter in die Dehnung zu kommen, da hier das Nervensystem entspannt und somit eine stärkere Dehnung ermöglicht wird.
Quellen:
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3273886/
http://journals.lww.com/nsca-jscr/Abstract/2016/10000/The_Acute_Effects_of_Static_Stretching_on_Speed.11.aspx
Haddad, M., et al. „Static stretching can impair explosive performance for at least 24 hours.“ Journal of Strength and Conditioning Research. Volume 28 (2014): 140–146.